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Aus dem Arbeitsalltag eines Agile Coaches

Von Zehra Sirin

Oft werde ich gefragt, wie sich mein Alltag als Agile Coach gestaltet, und welche Themen ich als Agile Coach begleite. Als Agile Coach besteht mein Arbeitsalltag aus einer Vielzahl von Themenstellungen sowie Rollen, die alle darauf abzielen, Teams, bzw. Führungskräfte effektiver und erfolgreicher zu machen, damit die Organisation wettbewerbsfähig bleibt.

So kann es sein, dass ich manchmal ein Kickoff oder Initialisierung moderiere. In einem anderen Fall die Methodik und Prozess eines Entscheidungsprozesses fazilitiere. Manchmal bin ich als Agile Coach eher in einer Mediations-Rolle und coache eine Teamentwicklung, bzw. Konfliktsituationen. Für ein einheitliches Verständnis über Methoden, Begriffe, Vorgehen etc. schule ich Teams nicht selten, indem ich auch die Lernziele bis zu den Teilnahmebestätigungen organisiere. Daraus habe ich im folgenden Blog fünf typische Aufgabenbeispiele aus meinem Alltag als Agile Coach zusammengefasst, die dir eine Vorstellung darüber geben sollen, mit welcher Themenvielfalt ein Agile Coach arbeitet.

 

Und für den Fall, dass ihr Respekt vor solchen Fragestellungen habt und zweifelt, ob ihr das könnt. Auch ich fühle mich manchmal unsicher vor den Herausforderungen. Ich zweifle an meinem Fähigkeiten und ob ich Menschen wirklich zu einer Lösung entwickeln kann. Doch dann halte ich mir folgende zwei wichtige Prinzipien vor Augen.
1. Als Agile Coach schaffe ich mit meinem Können den Rahmen und die Grundlage, dass Inhalte und Ergebnisse durch die Beteiligten bearbeitet werden können.

2. Und das noch fast Wichtigere: Trust the process (vertraue dem Prozess).

 

Viel Spass beim Lesen, umsetzen und daran wachsen. Und wenn du Mal anstehst, dann freue ich mich mit Rat und Tat mitzuwirken und verweise bei dieser Gelegenheit auch auf die Linkedin-Gruppen von uns, die eigens für kollegiale Ratschläge bestehen. 

 

Entwicklung von geteilter Verantwortung bis Selbstorganisation im Team

Eine wiederkehrende Aufgabe in meiner als Agile Coach Aufgaben ist es, Teams dabei zu begleiten, ihre Autonomie zu initialisieren und oder weiterzuentwickeln. Es gibt ganz verschiedene Auslöser, weshalb Teams selbstorganisierter arbeiten wollen, und das ist auch der Startpunkt meiner Arbeit. Als Agile Coach stelle ich sicher, dass das Team die Frage nach dem Why (Wozu Selbstorganisation)  versteht und beantworten kann. So kam es kürzlich dazu, dass ich als Agile Coach beigezogen wurde, weil ein Teamleiter entschieden hat, nach dem Vaterschaftsurlaub eine Auszeit auf unbestimmte Zeit zu nehmen und deshalb nicht mehr ins Büro zurückzukehren. Das Team sah das als Chance, sich selbst zu organisieren und den Versuch zu starten, ohne Führung eines Teamleiters zu arbeiten. Nebst dem Why und den darauffolgenden Themen, sorgte ich in einer schulischen Massnahme dafür, dass alle verstehen, dass Selbstorganisation einen unternehmerischen Zweck hat es nicht darum geht, dass sich jede:r  selbstverwirklichen kann. Auch schulte ich diverse Methoden, Praktiken und agile Tools, die je nach Herausforderung von S3 bis Management3.0 reichen. 

 

Planen auf Sichtweite

Ein weiterer Bestandteil agiler Arbeit ist die Planung auf Sichtweite. Dies bedeutet, dass wir nicht nur langfristige Ziele im Blick haben, sondern regelmässig kleine, erreichbare Meilensteine setzen und diese kontinuierlich anpassen. Das ist für bisherige Führungskräfte, die sich weit voraus geplante Meilenstein-Pläne (nach Wasserfall) gewohnt sind, fast unvorstellbar. Deshalb buchen mich hierzu nebst Teams, häufig auch Führungskräfte, die sich darunter zunächst nichts vorstellen können und befürchten, es könnte zum Chaos ausarten. Eine typische Befürchtung, wozu ich beigezogen wurde. Ein Team soll in ihrer Autonomie, sich selbst zu führen, entwickelt werden. Hierzu wollte die Geschäftsleitung einen Meilensteinplan aufzusetzen und planen, an welchem Datum, welche Rollen, wie weit im Wandel sein sollen. Es war meine Aufgabe, ihnen zu verdeutlichen, dass bereits die Planung agil gestaltet wird. Dazu verdeutlichte ich ihnen, weshalb diese Situation komplex ist und deshalb nicht starr planbar. Als Alternative bot ich ihnen, mit dem zu arbeiten, was sie schon wussten und sicherer planen konnten. Sie sollten lernen, mit Hypothesen (Annahmen) zu formulieren, sie umsetzen und daraus die nächsten Schritte auf Sichtweite planen. Alles partizipativ versteht sich. Dass Abweichungen von der Hypothese ein wichtiges Steuerungsinstrument ist, um aus dieser Erfahrung weiterzuarbeiten,

zu machen, bevor wir komplett in eine falsche Richtung gearbeitet hätten.

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Teamentwicklung / Konfliktsituationen

Konflikte sind unvermeidlich und gehören zu jedem Teamentwicklungsprozess. TMeine Aufgabe ist es, diese konstruktiv zu moderieren. Hier nutze ich oft Methoden wie eine Retrospektive, bei der das Team regelmässig reflektiert, was gut läuft und wo Verbesserungen nötig sind. So konnte ich kürzlich ein Team dabei unterstützen, gleich zwei sensible Thema offen anzusprechen. Die eine Herausforderung war, dass ein Teammitglied an Freitagen und Montagen regelmässig krank war. Versuche des Teams, die Situation anzusprechen oder eine Teamintervention durchzuführen, seien komplett aus der Kontrolle geraten. Gegen das Feedback wurde gegenargumentiert, beschuldigt bis bedroht – und das solange, bis jemand weinend den Raum verliess. 

Bei der zweiten Herausforderung ging es darum, dass sich im Team mehrere Auswirkungen bemerkbar machten, doch die Ursache nicht richtig fassbar war. Die Auswirkung war viel Frust, schlechte Stimmung und jede Menge Geläster übereinander. Die frustrierte Stimmung zum Tagesstart anzutreffen, wurde bei Kündigungen als einer der meistgenannten Gründe während der Probezeit genannt. 

 

Partizipative Entscheidungsfindung

Ein weiterer Eckpfeiler meiner Arbeit als Agile Coach ist die Entscheidungsfähigkeit zu fördern. Nicht selten wird in Team-Besprechungen viel gesprochen und wenig entschieden. In einem meiner letzten Aufträge als Agile Coach stellte ich ihnen die Konsent-Entscheidung vor, damit jede:r im Team sich äussert, gehört wird und Entscheidungen gemeinsam getragen werden. Dies fördert nicht nur die Akzeptanz, sondern auch die Motivation und Verbindlichkeit im Team.

Gemeinsame Zielsetzung ist entscheidend für den Teamerfolg und braucht Übung, wenn sie nach dem Konsent-Prinzip erfolgt. Dies hilft dem Team, fokussiert und zielgerichtet zu arbeiten. 

 

Kontinuierliche Verbesserung

Ein typisches Thema, was meine Rolle als Agile Coach auch erfüllt, ist, dass selbstorganisierte Teams die Aufgabe Qualitätsmanagement und Kontinuierliche Verbesserung verantworten und es trotzdem kein Selbstläufer wird. Meist geht diese Aufgabe mit einer Schulung einher, die das Why (Wozu trägt jede:r zum Qualitätsmanagement und KVP bei) verständlich gemacht wird. Diese Aufgabe näher gebracht, initialisiere ich auch das Thema Feedback als Chance und Fehler als Lernmöglichkeiten. Es sind zwar keine neuen Themen, doch anders als früher, wo man alles einer Qualitätsmanagement verantwortlichen Person abschieben konnte. 

 

Grundsätzlich kann ich sagen, dass Agile Coaches eine Kombination aus Methodenkompetenz und einem tiefen Verständnis für zwischenmenschliche Dynamiken ist. Die Arbeit ist vielfältig, manchmal sehr fordernd und auf jeden Fall erfüllend, da sie nicht nur zur Effizienzsteigerung, sondern auch zur Zufriedenheit der Teammitglieder beiträgt. Oder anders gesagt, man muss Menschen mögen.